Das Cabinet des Dr. Caligari

 Eine Neuvertonung von Michael Ammann zum 100-jährigen Jubiläum des Films

Premiere am 23.10.2020 um 20:00 Uhr Babylon Kino Fürth
weitere Vorstellung am 25.10.2020 um 13:00 Uhr
Beide Vorstellungen mit einer kurzen Einführung und anschließendem Publikumsgespräch.

Klangmaterial: animalaleman, Bryan Hillesheim und Michael Ammann
Klangliches Konzept, Montage und 5.1 Spationierung: Michael Ammann

 

Gedreht wurde Das Cabinet des Dr. Caligari von der Decla-Film-Gesellschaft Holz & Co., die 1922 von der damaligen Universum Film (Ufa) übernommen wurde. Die Dreharbeiten, deren genauen Daten nicht überliefert sind, fanden vermutlich ab September 1919 im Lixie-Atelier Berlin-Weissensee statt. In dem Film wird die Geschichte des unheimlichen Dr. Caligari (Werner Krauß) erzählt, der einen weissagenden Schlafwandler namens Cesare (Conrad Veidt) auf dem Jahrmarkt von Holstenwall zur Schau stellt. Dieser sagt einem wissbegierigen Besucher den Tod voraus und tatsächlich wird Alan (Hans-H. v. Twardowski) nachts ermordet. Francis (Friedrich Fehér), dessen bester Freund und Konkurrent um die schöne Jane (Lil Dagover), verdächtigt Caligari und Cesare und nimmt auf eigene Faust Ermittlungen auf. Weitere ungeklärte Mordfälle ereignen sich, schließlich soll Jane auf Geheiß Caligaris von Cesare getötet werden. Es kommt zu einer Verfolgungsjagd, bei der Cesare zusammenbricht, Jane gerettet wird und Dr. Caligari in ein Irrenhaus flüchtet. Dort muss sein Verfolger Francis feststellen, dass Dr. Caligari der Direktor der Anstalt ist. Offenbar wurde dieser, beseelt von einem mystischen Fall aus 18. Jahrhundert, selbst verrückt bei dem Bestreben, einem Schlafwandler seinen Willen aufzuzwingen. Schließlich wird Caligari in eine Zwangsjacke gesteckt. Doch mit dieser erzählten Binnenhandlung ist der Film nicht zu Ende. Denn in der Rahmenhandlung kehrt Francis, der Erzähler, in die Irrenanstalt zurück, wo er alle Beteiligten als Insassen antrifft – ebenso wie Caligari, der als gütiger Anstaltsleiter nun angibt, den Schlüssel zur Heilung von Francis zu kennen. Was stimmt und wer nun wahnsinnig ist – Caligari oder Francis – lässt der Film letztlich offen.

KONZEPT

Die Fiktion eines Tonfilms.

Die zentrale Frage für die Vertonung des Stummfilms "Das Cabinet des Dr. Caligari" war, wie es klingen würde, wenn es die Tonaufnahme einer Live Vertonung mit den heutigen Möglichkeiten der elektroakustischen Klangerzeugung, während der Dreharbeiten damals gegeben hätte, die zudem auch die Dialoge und Geräusche der Schauspieler einbezieht. Die Neuvertonung versucht primär das zu simulieren und mit dieser "was-wäre-wenn" Situation zu spielen, um eine klangliche Nähe zu den filmisch-technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit, sowie der stummfilmtypischen Dramatisierung, der expressionistischen Ästhetik und der dramatischen Handlung "Caligaris" zu bewirken.

Heutige Möglichkeiten quadrophoner Elektroakustik und digitaler Montage sollten in einer Weise einfließen, dass beim Betrachter kaum Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Zeitdokuments entstünde. Die Montage des mehrfach frei improvisierten Klangmaterials fokussiert deshalb folgende visuellen Momente für die Synthese aus Bild und Ton: 1) Räumlichkeiten, Bühnenbauten (Ästhetik, Raumbeschaffenheit) und Verortung im Raum. 2) Nähe zu Handlung und Stimmung. 3) Nähe zu Mimik, Gestik und psychischen Zuständen. 4) Klangliche Reaktion auf eine übersteigerte Dramatik und "Caligari" = Theaterstück/"Puppenspiel". 5) Hörbare Dialoge und Bewegungsgeräusche. 6) Sensibler Umgang mit den Möglichkeiten einer Surroundvertonung. 7) "Der Klang entspringt aus dem Bild" und wird nicht, wie es bei Filmmusik üblich ist, dazugelegt. 8) Simulation einer Aufnahmequalität die nicht "neu" wirkt.

Das Klangmaterial stammt größtenteils aus Aufnahmen von elektroakustischen Interplays zwischen animalaleman und mir (2013) und zwischen Bryan HIllesheim und mir aus dem Jahr 2017. Es etablierten sich zwei Vorgehensweisen mit dem Film umzugehen. Zum einen "Direct-to-Film" Interplays über die volle Dauer, dies mehrfach und mit einer steigenden Vertrautheit und "Keep-in-MInd" Interplays, mit vornehmlicher Konzentration auf das Klangliche und das Zusammenspiel und dem Versuch das Filmische in die Vorstellung zu rücken und sich assoziativ leiten zu lassen.

 

KÜNSTLER UND INSTRUMENTARIUM

animalaleman (*1965 Fürth): verschiedene iOS-devices, Stimme, Keith McMillen SoftStep, touch, programmierte und randomisierte Automationen, Yamaha i88X, M-Audio Fast Track, MacBook, Korg Nanokontrol2, digitale 4.0 Raumsimulationen.

Bryan Hillesheim (*1966 New Jersey, USA): iPad, Alesis iO4, modifizierte Zither / Arturia Keylab Mini, Korg Nanofader, Akai ldp8. 2 Piezo Mikrofone. Synth Apps: Magellan, Sunrizer, Cyclop. FX Apps: Turnado, Aufx Space, dfx. AUM.

Michael Ammann (*1967 Weiden): Stimme, modifizierte Zigarrenkiste 2.0, McMillens QuNeo, Steinberg Nuendo 4, GRM PlugIns, RAT Distortion.